Seit 25 Jahren im Einsatz – und heute gefragter denn je

„Füllen Sie dieses Haus mit Menschlichkeit und Leben“, hatte der damalige Vorsitzende des Fördervereins für Wohnungslose, Gottfried Rupp, bei der Einweihung des Zentrums der Wohnungslosenhilfe in Bensheim im Juni 2000 appelliert. 25 Jahre später hat sich dieser Wunsch mehr als erfüllt, wie am vergangenen Sonntag bei der kleinen Jubiläumsfeier im Innenhof des Zentrums zu hören war. Eine Hoffnung, die vor 25 Jahren ebenfalls ausgesprochen wurde, wird sich unter realistischer Betrachtungsweise allerdings so schnell nicht erfüllen: Einrichtungen, wie das Zentrum im westlichen Stadtgebiet werden nicht nur noch lange benötigt werden, es ist auch Zuwachs erforderlich.

Auch vor 25 Jahren gab es in Hessen schon 13.000 Menschen ohne Dach über dem Kopf, heute hat sich die Zahl der wohnungslosen Menschen mit 22.346 fast verdoppelt. Und die Problematik wird immer prekärer, denn bezahlbarer Wohnraum ist rar und die Gefahr, plötzlich auf der Straße zu stehen, kann jeden treffen – aus den unterschiedlichsten Grünen.

Darauf machte auch Björn Metzgen, Bereichsleiter des von der Diakonie Bergstraße geleiteten Zentrums aufmerksam. Verzeichnete man in den ersten Betriebsjahren noch eine Auslastung von 40 Prozent, wurde die 100-prozentige Auslastung bereits 2006 zum ersten Mal erreicht und seitdem meistens beibehalten. In diesem Jahr liege man schon jetzt bei 89 Prozent. Bereits 140 Mal habe man in diesem Jahr Besucher schon ablehnen müssen, weil kein Platz vorhanden war.

Zweites Haus speziell für junge Wohnungslose geplant

„Unsere Gäste werden aber nicht nur älter, sie werden auch jünger“, machte Metzgen auf ein weiteres Problem aufmerksam, weswegen sich der inzwischen von Elke Ditter geleitete Förderverein einem neuen Projekt widmet. „Mit einem zweiten Haus für junge Wohnungslose zwischen 18 und 25 Jahren wollen wir die Karriere auf der Straße verhindern“, hofft die Vorsitzende auf eine ebenso wohlwollende Begleitung durch die Bevölkerung wie beim ersten Projekt.

Die war damals bemerkenswert, denn schon drei Jahre nach der Gründung des Fördervereins 1996 konnte der Grundstein für das Wohnungslosen-Zentrum gelegt werden und bis zur Inbetriebnahme ein Jahr später hatte der Förderverein insgesamt 350.000 Mark zusammengetragen. Und die Unterstützung durch ehrenamtliche Mitstreiter wie durch Spender hat nicht nachgelassen. Auch als sich Jochen Henke vor zwei Jahren aus seiner langjährigen Förderung zurückzog und die bis dahin von ihm bezahlten Mittagessen anders finanziert werden mussten, gab es eine überwältigende Spendenaktion, so dass für die nächsten dreieinhalb Jahre das Mittagessen gesichert ist. Dafür sowie für die zahlreichen Sachspenden und die alljährliche Weihnachtsfeier für Wohnungslose (Erlös aus der von Harry Hegenbarth initiierten jährlichen Geschenkeversteigerung im Advent) sagte Ditter herzlichen Dank.

Der Verein habe sich vor 29 Jahren gegründet, um den Ärmsten der Armen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Seit dieser Zeit habe man schon viel erreicht, „aber es ist ein Marathon“, so die Vorsitzende.

Für Geschäftsführer Tobias Lauer von der Regionalen Diakonie Bergstraße stellte sich die Frage, ob man anlässlich des 25. Jahrestages nun feiern oder traurig sein sollte. Denn trotz all dieser Einrichtungen sei es bislang nicht gelungen, die sozialen Missstände zu beseitigen. Was bisher geleistet wurde, sei aber nicht das Verdienst eines Einzigen, sondern „von ganz viel zivilgesellschaftlichem Engagement“. Daraus entstehe Energie, die unterstützt werde. Dennoch sah er auch die Verantwortung der Politik und äußerte das mit einer Bitte an den anwesenden Staatsminister im Kanzleramt Michael Meister. Er wünschte sich von der Politik präventive Ansätze für eine Gesellschaft, in der die Menschen keine Unterstützung mehr benötigen.

 

Ein Wunsch, den Meister nachvollziehen konnte und auch als richtig bewertete. Denn je besser man in der Prävention sei, um so wenige müsse man anschließend tun. Dank sagte er für das ehrenamtliche Engagement des Fördervereins, den er von Beginn an begleite. Er wisse um die vielfältigen Problemlagen, die mit Wohnsitzlosigkeit verbunden seien. Egal, ob es um finanzielle Unterstützung oder die Aufnahme einer Arbeit ging – ohne Wohnanschrift sei das eine große Hürde. „Es gibt oben und unten“ verwies Kreisbeigeordneter Matthias Schimpf darauf hin, dass man sich in Bensheim vor über 25 Jahren der sozialen Verantwortung bewusst gewesen sei. So habe sich der damalige Bürgermeister Georg Stolle nicht nur um die Entwicklung von Gewerbegebieten bemüht, würdigte Schimpf die damals von Bensheim ausgehende Initiative für das Zentrum. Ohne das große ehrenamtliche Engagement wäre vieles davon aber nicht möglich gewesen.

Die Frage des fehlenden Wohnraums bezeichnete Schimpf als eine der großen Herausforderungen von Politik und Gesellschaft, denn in einer begehrten Region sei Fläche ein rares Gut. Hier sei die Politik, wie aktuell bei der Fortschreibung des Regionalplans, aber auch Wohnungseigentümer gefragt.

Für die Stadt Bensheim zeigte sich Stadträtin Nicole Rauber-Jung über das neue Projekt für junge Wohnungslose, aber auch über das vor 25 Jahren in der Stadt in Betrieb genommene Zentrum. „Es geht dabei nicht nur um eine Wohnung, es geht auch um Würde“, so Rauber-Jung.

Bezugnehmend auf die während der Jubiläumsfeier aufgestellte Spendenaktion für das „Summerpack“ (Sonnen- u. Insektenschutz, Kühltuch, Schirm, Flasche Wasser), von denen im vergangenen Jahr 100 Stück verteilt wurden, verwies die Erste Stadträtin auf zwei Trinkwasserbrunnen in Bensheim, die aber zu wenig seien.

Interessant und aufschlussreich war das eingangs von Metzgen verlesene Interview mit einem Gast des Hauses, der neben schönen Erinnerungen (gemeinsames Grillen mit den Kumpels) auch negative Veränderungen bemängelte. Früher sei der Zusammenhalt größer gewesen, heute gebe es insbesondere zwischen Alten und Jungen Konflikte, denn die Jungen hätten keinen Respekt mehr. Das gehe unter Berbern nicht.